TOI TOI TOI

von Caroline Grüter

Der Aberglaube ist fast überall auf der Welt verbreitet und er wird oft negativ wertend auf Glaubensformen oder Rituale angewandt. Auch im Alltag des Theaters haben sich sämtliche Rituale und auch der Aberglaube eingeschlichen, denn Theaterhäuser sind Orte mit einer jahrhundertelanger Tradition. Das Schauspiel ist einer der ältesten Tätigkeiten auf dieser Welt. Über diese lange Zeit haben sich einige dieser Rituale etabliert und sich in das kollektive Gedächtnis der Theaterleute fest verankert. Ich möchte in diesem Beitrag die unterhaltsamsten Aberglauben aufführen und kurz erläutern.
Manche der tradierten Theaterregeln waren einst von praktischer Bedeutung. So ist es etwa streng verboten, auf der Bühne zu pfeifen. Eine Erklärung dafür: Früher gab es in den leicht ent- flammbaren Theatern Gasbeleuchtung. Brannte das Gas nicht, sondern strömte nur aus, signalisierte ein Pfeifen Gefahr. Das konnte Panik auslösen. Die andere und amüsantere Erklärung ist eine norddeutsche: In Hamburg verdingten sich Matrosen und Hafenarbeiter teilweise als Bühnenarbeiter und arbeiteten im Schnürboden. Sie verständigten sich mittels Pfiffen anstatt sich zuzurufen. Lief also jemand pfeifend über die Bühne, so konnte diese außergewöhnliche Kommunikation gestört werden. Ein Pfiff konnte auslösen, dass ein Bühnenbild im falschen Moment heruntergelassen wurde und Schauspieler verletzte.

Auch die Generalprobe ist mit dem Aberglauben behaftet. Man sagt, dass eine pannenreiche Generalprobe ein gutes Omen für die Premiere ist. Denn bei einer Generalprobe, die reibungslos abläuft, behauptet man, dass am nächsten Abend schreckliche Dinge passieren. Dieser Glauben lässt sich allerdings psychologisch deuten: Wenn eine Generalprobe, die in der Regel unter re- ellen Aufführungsbedingungen abläuft, fehlerfrei verlaufen ist, besteht die Gefahr, dass sich bei den Beteiligten ein Gefühl der Sicherheit und der Routine einstellt und dadurch die Konzentration senkt. Die Folge könnte dann sein, dass sich bei der Premiere Fehler einschleichen. Allerdings ist eine Generalprobe immer noch etwas Unfertiges, etwas noch nicht Vollendetes. Sie ist die letzte Probe vor der Erstaufführung. Deshalb können und sollen sich sogar die letzten Mängel noch einmal klar Zeigen, damit man sie auch noch beheben kann.
Im Profitheater findet die Generalprobe meistens vor Publikum statt. Verpönt ist es allerdings – und hier spielt im Theater der Aberglaube wieder eine Rolle – am Ende einer Voraufführung zu klatschen. Dies soll Unglück für die Premiere-Vorstellung bringen. Der Reiz solcher Voraufführungen für das Publikum ist sehr groß. Selten kommt das Publikum dem Theaterbetrieb so nahe wie bei einer Generalprobe. So kann es vorkommen, dass man vom Regisseur begrüßt wird und dass selbiger mitten im Publikum sitzt, um von dort aus die letzten Anweisungen zu geben. Zudem kann das Publikum bei einer Voraufführung indirekt in die Inszenierung eingreifen. Eine Generalprobe hat also unmittelbare, ja praktische Auswirkungen auf eine Inszenierung.
Aus Erfahrung weiß man, dass man eine Komödie noch so intensiv proben und vorbereiten kann. In dem Moment aber, in dem das Publikum im Theater sitzt, verändert sich vieles. Bestimmte Pointen funktionieren plötzlich nicht mehr so, wie gewollt, andere provozieren dafür richtige Lacher.

Dennoch hält sich kein Aberglaube und Ritual so hartnäckig wie das des TOI TOI TOI ́s. Unter den Theaterleuten wird sich so das Glück vor der Premiere gewünscht. Doch wo hat dieser Schwur eigentlich seinen Ursprung?
Die Suche führt ins Mittelalter, als man glaubte, dass gute Wünsche den Neid böser Geister wecken. Durch dreimalige Anrufung des Teufels kann das Unheil jedoch abgewendet werden. So besagt eine Theorie, dass sich TOI TOI TOI von „Teufel, Teufel, Teufel“ ableitet. Ein weitere mögli- cher Ursprung kommt von dem jiddischen Ausruf „Tfu(t), tfu(t), tfu(t)“ gegen den bösen Blick. Wird vor diesem Ausruf ein „unberufen“ gesetzt und dreimal auf Holz geklopft oder gespuckt, schützt er vor neidischen Geistern.

Nähere dich der Person, der du Glück wünschen möchtest. Spitze die Lippen und erzeuge ein Spuckgeräusch ohne das dabei Speichel fließt. Aber Achtung! Achte darauf, dass du über die linke Schulter deines Gegenübers spuckst, denn auf ihr sitzt der Teufel. Wer über die rechte Schulter spuckt, erwischt den Schutzengel und das Glück ist hinüber. Die einfache Regel ist also, orientiere dich rechts, damit du „Herz an Herz“ mit dem Bespuckten stehst.

Es gilt allerdings noch mehr zu beachten: Wer auf ein TOI TOI TOI mit einem einfachen „Danke“ antwortet statt mit einem Hals- und Beinbruch, hebt jede Glückwünschung wieder auf. Um dies wieder gut zu machen muss man sich ins Freie begeben und dreimal um das Theater laufen. Wer dafür keine Zeit hat der kann sich auch drei mal auf der Stelle drehen, ein Lied zu singen und mit Pucks Worten aus Shakesspeares „Ein Sommernachtstraum“ zu enden:

Wenn wir Schatten euch beleidigt

Oh so glaubt – und wohl vertedigt

sind wir dann – ihr alle schier

habet nur geschlummert hier

und geschaut in Nachgesichten

euren eignen Hirnes Dichten.

Nach dem Rezitieren dieser Zeilen muss dreimal an die Tür geklopft werden und um Einlass gebeten werden. Nicht alle haben vor der Premiere Zeit , eine solche Prozedur abzuarbeiten, also hält man sich besser direkt an die Regeln.
Obwohl in der heutigen Zeit nicht mehr viele Menschen abergläubisch sind, halten sich bis heute noch die dadurch verursachten Verhaltensweisen und Riten in der Theatergesellschaft, denn es ist zur Tradition geworden, diese Regeln nicht zu brechen. Eine Tradition zu haben kann in der Gruppe den Zusammenhalt und die Zugehörigkeit stärken.