Von Vorhängen, Lichtproben und den oberen Zehntausend

von Wiebke Heinzen

„High Society“ oder „Die oberen Zehntausend“. Ein Musiktheater auf welches wir uns schon einige Wochen im Voraus vorbereitet haben. 

Gemeinsam haben wir uns den gleichnamigen Film von 1956 angesehen und das uns zugesandte Skript gelesen. Mit der Aussicht dieses Stück dann sowohl in der Hauptprobe als auch der Generalprobe zu sehen und noch ein drittes Mal am Abend der Premiere zu schauen barg einen leichten Anflug von Langeweile im Vorhinein. Worüber wir jedoch vorab nichts wussten, war das Bühnenbild. Die gestalterische Ästhetik, der in zartes grau getauchten drei Vorhänge, machte mich bereits in der allerersten Probe, bei welcher wir zusehen durften, sprachlos. Gepaart mit reduzierten Möbeln in Betonoptik und einer dazu passenden Bodengestaltung fügte sich das Bühnenbild in die High Society der Oyster Bay ein.

Bei der ersten Probe handelte es sich um die Lichtprobe, bei welcher die einzelnen Lichtsituationen – am Theater auch Bilder genannt – getestet und korrigiert wurden. Vereinzelt wurden hier die Vorhänge auch verfahren und es stellte sich mir die Frage: „Wie funktioniert das denn?“

Durch das Beobachten und Analysieren der Fahrwege hatte ich bereits nach dem Ende der Probe eine Idee zu der technischen Funktionsweise des Bühnenbildes.

Am Abend folgte dann die Hauptprobe, bei der wir das Stück erstmalig in voller Länge ansehen durften. Für uns eine spannende Erfahrung und auf den ersten Blick eine nahezu perfekte Show.

Am nächsten Tag durften wir selbst einmal auf die Bühne, um das Bühnenbild auch von nächster Nähe zu betrachten. Meine Idee zu dem Geheimnis der Vorhänge und ihrer Fahrweise konnte hier bestätigt und ergänzt werden. Zwei Vorhänge, welche auf U-förmigen Schienen ineinanderlaufen. Diese beiden Vorhänge bilden, in Kombination mit einem graden Vorhang vor einer Frostfolie an der Rückseite des Bühnenbildes, ein einzigartiges, pompöses, sehr ästhetisches Bild.

Bis zur Premiere am Samstagabend haben wir uns zu wahren Expert:innen der Beobachtung entwickelt und konnten genau sagen, wann etwas geplant verlief und wann nicht. Mit dem Schließen der Saaltüren waren wir also fast so nervös wie die Mitwirkenden selbst. Würde der Vorhang richtig fahren? Würden die Tanzschritte des ausgewechselten Tänzers sitzen? Würde der schnelle Kostümwechel funktionieren? Ja. Es hat alles funktioniert. Und wenn wir ganz ehrlich sind: Was wäre die High Society ohne kleine Patzer, die überspielt werden können?