Perspektivwechsel

von Joelina Breyvogel

Schon oft habe ich als Zuschauerin in der Menge des Publikums von den hohen Rängen aus der Ferne oder im Parkett ganz nah ein Schauspiel auf der Bühne erleben dürfen, dabei die Schauspieler:innen, Musiker:innen und Tänzer:innen beobachten und bestaunen können, um mit ihnen für einen Abend aus dem Hier und Jetzt an einen fremden Ort zu reisen; in einen Raum, der sich mit Kunst und Musik füllt, durch eine Welt, in der alles möglich ist.
Ich habe stets das Bühnenbild oder die Schauspielkünste und das musikalische Talent der Darsteller:innen bewundert, mir vorgestellt, auch mal auf so einer Bühne stehen zu dürfen. Doch ich habe nie einen Blick hinter, über oder unter diese Bühne gewagt, den durch Vorhänge definierten Guckkasten als meine visuelle Grenze nicht überschritten.
Dabei bedeutet Theater so viel mehr als das reine Schauspiel auf der Bühne, ist so viel größer als ich mir vor unserem Besuch im Theater Heilbronn hätte vorstellen können. Unser Exkurs hinter die Kulissen hat mich dieser Tatsache bewusstwerden lassen.
Wir nutzten die Möglichkeit, die handwerklichen Künste von Malerei, Holz- und Stahlbau, Schneiderei, Plastizieren und Requisitenbau in den Werkstätten zu besichtigen und mit den Zuständigen persönlich zu sprechen. Zudem konnten wir sowohl Licht- als auch Tonproben miterleben und auf diese Weise nicht nur die künstlerisch-kreativen Elemente, sondern darüber hinaus auch die Komplexität und Wichtigkeit der technischen Komponenten einer Inszenierung kennenlernen. In exklusiven Gesprächen mit dem Regisseur und dem Bühnenbildner, sowie aus Beobachtungen der Arbeit der Choreografin, der Darsteller:innen und des Dirigenten, erfuhren wir mehr über die Hintergründe der Ideen für die Inszenierung, um diese besser nachvollziehen und das Stück diesbezüglich aus ganz unterschiedlichen, mir völlig neuen Blickwinkeln zu betrachten und den Entstehungsprozess dieses Kunstwerkes besser greifen zu können.
Die einzelnen bunten Stränge des spannungsvollen Geflechtes aus Kreativität, Bewegung, Sprache, Musik, Licht, Technik und Organisation stehen in direkter Beziehung und wechselseitiger Abhängigkeit zueinander und das unabdingbare Ineinanderwirken und Miteinander der Künste und Menschen haben mich in den Tagen unseres sehr intensiven Aufenthalts am Theater und auch darüber hinaus sehr begeistert und ich bin dankbar für diese einzigartige, inspirierende Erfahrung.

Der Blick vom Zuschauerraum
Der Blick von der Bühne